Befreiung durch Yoga: Vom inneren Kampf zu Gleichmut

Leidest du, weil du dich von deinem eigenen Kopf tyrannisieren lässt?

Gedanken zum wahren ziel von Yoga mit praktischer anleitung

Im Kern geht es im Yoga um Befreiung.

Befreiung von der Illusion, dass wir unser Körper, unsere Gedanken und unsere Emotionen sind. Es ist eine Befreiung von der Identifikation mit dem Vergänglichen, denn gerade diese Identifikation ist oft die Ursache für Leiden.

Doch was bedeutet das in der Praxis? Und warum sollte man danach streben, wenn das Leben auf der Welt doch so viel Freude bereiten kann?

Der Denker und sein Leiden

Unser Geist hat die Angewohnheit, alles zu analysieren, zu bewerten und in Kategorien einzuordnen. Dieser „Denker“ unterscheidet zwischen gut und schlecht, angenehm und unangenehm. Dadurch entsteht Leiden: Wir wollen unangenehme Gefühle vermeiden und angenehme Gefühle festhalten. Doch gerade diese Ablehnung und Anhaftung erzeugen innere Spannungen. Die Reaktion auf unangenehme Emotionen, wie Wut oder Traurigkeit, verstärkt oft das Leiden, anstatt es zu lösen. Wir halten negative Gefühle durch unsere Gedanken am Leben, projizieren unser Unwohlsein auf andere und suchen nach Schuldigen.

Missverständnisse über Yoga und die Welt 

Häufig wird angenommen, dass Yoga das Weltliche ablehnt – eine strikte Abkehr von allem Materiellen und Emotionalen. Das stimmt jedoch nur teilweise. Es gibt zwar Praktiken, die in diese Richtung gehen, doch der Kern des Yoga liegt darin, mit dem, was ist, zurechtzukommen.

Yoga lehrt uns, Emotionen anzunehmen, sie als Erfahrungen zu betrachten und die Vergänglichkeit aller Dinge zu erkennen – ob es nun Gefühle, Körper oder Gedanken sind. Diese Vergänglichkeit zu akzeptieren, kann uns befreien. Denn unser innerstes Wesen, das im Yoga als Atman bezeichnet wird, ist unvergänglich. Es wird als das göttliche Prinzip in uns verstanden, ein stabiler Kern, der nicht den Schwankungen des Lebens unterworfen ist.

Ein Baumstamm mit buddhistischen Gebetsfahnen: om mani padme hum
Buchcover die Yogaweisheiten des Patanjali von Sukadev Bretz
Raja Yoga: Die Psychologie des Yoga

Raja Yoga, auch bekannt als der „Königsweg des Yoga“, bietet Werkzeuge, um diesen Kreislauf zu durchbrechen. Es geht nicht um übermenschliche Erleuchtung, sondern darum, den eigenen Geist zu meistern und inneren Frieden zu finden. Die Techniken des Raja Yoga lehren uns, Gedanken und Gefühle ohne Bewertung oder Ablehnung zu akzeptieren. Der analytische Ansatz dieses Yoga-Wegs ist in den Yoga Sutras von Patanjali beschrieben, einem der ältesten Standardwerke des Yoga. In der kommentierten Ausgabe von Sukadev Bretz beschreibt er den Geist als inneres Instrument (Antarkārana) mit vier Teilen:

– Ahamkāra: Das Ego, der „Ich-Macher“.

– Buddhi: Der Intellekt, der für Vernunft und Willenskraft steht.

– Manas: Das Denkprinzip, das Wahrnehmungen und Gefühle verarbeitet.

– Citta: Das Unterbewusstsein, das Gedächtnis, Wünsche und Fähigkeiten umfasst.

Je mehr wir uns bewusst machen, dass dieses innere Instrument nicht mehr von einem selbst kontrolliert wird, sondern es uns kontrolliert, desto eher können wir das Leiden auflösen, welches daraus entsteht. 

Das bedeutet, wenn bewusst wird, dass  Reaktionen aus den verschiedenen Teilen des Geistes entstehen, desto mehr kann zu diesen Vorgängen eine beobachtende Distanz eingenommen werden.

Praktische Übung: Meditation des stillen Zeugen (Sakshi Bhava)
Eine rot braune Mala Gebetskette in einer Hand, am Daumen einen Ring mit Unendlichkeitssymbol

Eine zentrale Praxis, um diese Erkenntnis zu vertiefen, ist die Meditation des stillen Zeugen. Im Buddhismus wird sie auch als Vipassana bezeichnet. Diese Technik hilft uns, Abstand zu unseren Gedanken und Gefühlen zu gewinnen und in einen Zustand des Gleichmuts zu gelangen.

Anleitung:

1. Finde einen ruhigen Ort und nimm dir mindestens 5-10 Minuten Zeit.

2. Setze dich bequem und aufrecht hin. Schließe die Augen.

3. Atme ein paar Mal tief ein und aus, um in deinem Körper anzukommen.

4. Nimm dir vor, dich von den Automatismen des Alltagsbewusstseins zu lösen:

analysieren – bewerten – identifizieren – reagieren.

5. Beobachte deinen Körper. Spürst du irgendwo Unwohlsein? Schlafen deine Beine ein oder hast du Rückenschmerzen?

6. Dann nimm das wahr, fange nicht an zu überlegen: „warum schläft jetzt das Bein ein?“

       – Nimm wahr, fange nicht an zu bewerten: „das ist nervig, dass mein Bein immer einschläft!“

       – Nimm wahr, fange nicht an zu identifizieren: „ich bin nicht flexibel genug…“

       – Nimm wahr, fange nicht an zu reagieren und dich sofort zu bewegen

7. Schaue all das an, schaue die Aktivität des Geistes an, wie die Automatismen ablaufen. Wie sie aber auch wieder vergehen.

8. !! Wenn dein Bein fast abfällt – dann bewege dich halt kurz, aber tue es bewusst, nicht automatisch.

9. Verweile in der Beobachtung deiner Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen. Lass sie kommen und gehen, ohne dich mit ihnen zu identifizieren.

Mit etwas Übung gelingt es dir vielleicht, diesen inneren Raum zu betreten, von dem aus du die Geschehnisse entspannt und gelassen betrachten kannst, ohne hineingezogen zu werden.

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Fazit

Yoga ist kein mystischer oder weltfremder Weg. Es ist eine praktische Lebensphilosophie, die uns hilft, Frieden mit uns selbst und der Welt zu schließen. Durch die bewusste Beobachtung unserer Gedanken und Gefühle können wir die Kontrolle über unseren Geist zurückgewinnen und innere Gelassenheit gegenüber den Erscheinungen entwickeln. Dieser Prozess mag herausfordernd sein, doch er ist der Schlüssel zur Befreiung von unnötigem Leiden. Bleib dran und entdecke, wie viel leichter das Leben fließen kann.

viel Freude

Om Shanti

Lisa 

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